Warum geht dein Kind eigentlich in die Schule? Um zu lernen natürlich. Aber sind dir auch die übergeordneten Funktionen bewusst, die unsere Schulen haben? Wahrscheinlich nur unterbewusst. Darum möchte ich sie heute mal ins Rampenlicht stellen.
Der Sozialisationsprozess findet auf vielen Ebenen statt und soll dein Kind auf ein Leben in unserer Gesellschaft vorbereiten. Diese besteht nämlich aus Individuen, die Positionen besetzen und dort ihre Rolle erfüllen. Und dieses System kann nur weiter bestehen, wenn Folgegenerationen es weiter tragen. Sozialisation ist darum auch immer kulturelle Reproduktion, bei der die Werte der Gesellschaft vermittelt werden und die Kinder an die Rollen dieser Gesellschaft angepasst werden.
Darum rebelliert dein Teenie auch so gerne gegen alles, was auch nur im entferntesten mit der Schule zu tun hat. Diese stellt nämlich den Status quo der Erwachsenenwelt dar und gegen diese gilt es sich in der Pubertät abzugrenzen.
Hier ergibt sich das Problem, anhand welcher Werte und Rollen wir die Gesellschaft überhaupt festmachen wollen? Dies mag zu früheren Zeiten noch recht „einfach“ gewesen zu sein, in der Gegenwart verschwimmen diese klaren Linien jedoch. Daher wundert es auch nicht, dass die Wertevermittlung in den einzelnen Schulen sich sehr unterschiedlich darstellt. Besonders problematisch wird diese Situation, wenn die Werte der Schule und der Familie nicht übereinstimmen.
In der Schule erleben Kinder eine konstante Bewertung anhand derer sie eingeteilt werden. Anhand ihrer Leistung (Noten) werden sie sortiert und den passenden Bildungsgängen (und somit auch Möglichkeiten der Rollenausübung in der Gesellschaft) zugeordnet. Dabei lernen sie das Leistungsprinzip (wer viel leistet, wird belohnt) als grundlegende Wertvorstellung unserer Gesellschaft kennen.
In Deutschland geschieht diese Selektion besonders früh, da unsere Kinder bereits nach der Grundschule an weiterführende Schulen anhand ihrer bisherigen Leistung eingeteilt werden. Dafür hat Deutschland schon oft Kritik bekommen.
Und auch hier gibt es wieder verschiedene Blickwinkel, die vor allem durch das Verhalten der Lehrer zum Tragen kommen. Einerseits der Glaube, dass Intelligenz und Leistungsfähigkeit angeboren sind und der Lehrer nur entsprechend sortieren muss. Andererseits die Meinung, dass ein Kind vollkommen „bildbar“ ist. Es macht einen großen Unterschied ob dein Sohn, der sich mit Mathe schwer tut an Lehrer 1 oder 2 gerät...
Diese Funktion können wir aus zwei Blickwinkeln betrachten. Zum Einen muss dem Leistungsprofil des Einzelnen (welches er ja in der zweiten Funktion kennengelernt hat) eine passende Rolle zugeordnet werden.
Zum Anderen aus ökonomischer Sicht. Hier muss die Schule genügend Humankapital produzieren. Und zwar nicht nur von der Menge, sondern auch von der Qualifikation. Deutschland muss international Wettbewerbsfähig bleiben. Daher auch Vergleichsarbeiten und Bildungsstandards.
Hier bleibt zu erwähnen, dass das Rollensystem auf das hin zugeordnet wird, das System der bisherigen Generationen ist. Ich behaupte jedoch, dass sich unsere Welt, vor allem unsere Arbeitswelt, schneller ändert, als neue Schulbücher gedruckt werden können. Nur so ein Gedanke von mir...
Um diesen Punkt zu verdeutlichen, nehme ich mal das dunkelste Beispiel unserer Geschichte: Den Nationalsozialismus. Hier fand Legitimation in ihrer schlimmsten Form statt. Davon sind wir heute natürlich weit entfernt.
Heute werden normative Werte unserer Herrschaftsform vor allem durch Geschichtsunterricht, Sozialkunde und teilweise Religion vermittelt.
Aber auch der „geheime Lehrplan“ kommt hier zum Tragen. So werden Verhaltensweisen wie Freundlichkeit, Pünklichtkeit, Folgeleisten von Anweisungen und Akzeptanz von Bewertungen und Sanktionen vermittelt. Alles Eigenschaften, die wir für das System der Erwachsenenwelt brauchen.
Auch das Vorkommen von „Verlierern“ wird so gerechtfertigt. Schließlich hatte jeder die gleichen Bildungchancen und nach dem Leistungsprinzip ist man selbst Schuld, wenn man nichts daraus macht.
Und jetzt lehne ich mich aus dem Fenster und behaupte noch, das eigentlich nicht das Fachwissen der einzelnen Schüler sie für die entsprechenden Rollen qualifiziert, sondern die übergeordneten Fähigkeiten wie Fleiß und die Anpassung an Vorgaben.
Wie du merkst, ist dieser Post eine eher kritische Auseinandersetzung mit den Funktionen unserer Schule, was aber nicht heißen soll, dass ich alles schwarz malen möchte. Es gibt Schulen, die setzen alle oder einige dieser Funktionen bemerkenswert gut und im Sinne der ihnen anvertrauten Kinder um. Aber leider findet man auch immer wieder Beispiel, die sich wirklich nur als effektive Fabriken für Humankapital sehen.
Welche Funktionen waren dir bewusst und welche sind dir erst jetzt klar geworden? Und wie erlebst du deren Umsetzung an eurer Schule? Schreib mir doch deine Erfahrungen in die Kommentare!
Bis bald!
Deine Claudia
jannex
macht weiter so
Was denkst du?