Ich möchte dich hier gerne mit dem Lernsystem vertraut machen, das ich bei meiner Arbeit nutze. Du solltest es aber nicht nur als ein Mittel dazu sehen, die Noten deines Kindes zu verbessern. Wenn du es in allen Lebensbereichen anwendest, wird sich deine komplette Sicht auf den Lern- und Lebensweg deines Kindes ändern. Und vielleicht findest auch du den einen oder anderen Punkt, den du gerne für dich anwenden würdest...
Lernen macht eigentlich Spaß. Es ist uns in die Gene gelegt, dass wir immer besser werden und alles Neue verstehen wollen. Bei kleinen Kindern sieht man das ganz deutlich. Da wird noch stundenlang das Krabbeln geübt. Und auch bei der Einschulung war dein Kind sicher noch Feuer und Flamme. Und dann? Falls dein Kind so ab Mitte der Grundschulzeit Schule eher blöd und lästig findet und sowieso nur lernt, wenn du dabei die Peitsche schwingst, dann befindest du dich in guter Gesellschaft.
Dabei ist erfolgreiches, selbstreguliertes Lernen so wichtig für das Selbstbild und die psychische Gesundheit. Und sogar die körperliche Gesundheit wird davon beeinflusst, mit welcher Motivation wir unseren Alltag bestreiten.
Damit dein Kind aber lernen kann, sich selbst zu regulieren und zu motivieren, musst du den Weg dieser Entwicklung kennen und wissen, auf welchem Abschnitt der Reise sich dein Kind gerade befindet.
Die 5 Schritte des selbstregulierten Lernens
In meiner Praxis habe ich den Lernerfolgsturm entwickelt. Dieser besteht aus 5 Stufen, die sich logisch aufeinander aufbauen. Vor allem die beiden untersten Stufen stellen die absolut notwendige Grundlage da.
Hier ein kurzer Überblick:
Die drei Phasen der Motivationsentwicklung
Um den Turm erklimmen zu können, müssen jedoch drei Phasen in der Motivationsentwicklung durchlaufen werden.Mit jeder erfolgreich durchlaufenen Phase, stehen deinem Kind mehr Stufen des Lernerfolgturms zur Verfügung.
Du musst wissen in welcher Phase sich dein Kind befindet, damit du es optimal beim Erklimmen des Lernerfolgturms unterstützen kannst.
Die erste Phase: Ich will Spaß!
Lernen muss Spaß machen und Belohnung muss sofort erfolgen. Alles, was außerhalb des Spaßbereiches liegt, muss mit Belohnung und Strafe herausgelockt oder erzwungen werden.
Mit etwa 18 Monaten beginnt dein Kind ein Selbstbild zu entwickeln. Vorher besteht seine Welt (zumindest ist man der Auffassung) nur aus positiven und negativen Gefühlen. Grenzen zwischen seinem Körper und der Welt bestehen nicht wirklich. Das kann man sich kaum vorstellen nicht wahr?
Anschließend nimmt sich dein Kind nach und nach als von der Umwelt losgelöste Person war. Es bewirkt etwas in seiner Umwelt und ist stolz auf seine Leistung (oder frustriert, weil etwas nicht funktioniert). Ein Ergebnis muss aber sofort nach der Tat ersichtlich sein.
Wie du sicher schon gemerkt hast, spielt sich alles im Hier und Jetzt ab. Du kannst also optimal die erste Stufe (Einstellung) unterstützen. Alle anderen Stufen machen noch wenig Sinn.
Nach und nach wird sich dein Kind als immer losgelöster von der Umwelt wahrnehmen und auch der Abstand zwischen Anstrengung und Erfolg kann größer werden.
Ab ca. 4 Jahren beginnt dann die zweite Phase der Motivationsentwicklung. Sie dauert ganz schön lange (und es ist gar nicht so selten, dass sie nie wirklich beendet wird...)
Die zweite Phase: Wofür brauche ich das?
Was dein Kind tut, muss Sinn machen. Der Zusammenhang zwischen Ziel und Angstregung muss auch nicht mehr direkt sein und die Anstrengung kann auch länger dauern, bis sie zu einem Ergebnis führt. Der Spaß darf dann auch mal auf der Strecke bleiben. Dein Kind entwickelt Pläne und Ziele für die Zeit nach der Schule und entwickelt ein Bild von der Welt da draußen.
Diese Phase hat einen großen Schub in der Pubertät.
In dieser Phase ist es Zeit die Stufe „Ziele“ zu meistern.
Die dritte Phase: Ich bin Herr meiner Selbst
Die dritte Phase ist die Phase der Selbstbestimmung. Dein Kind kann seinen Weg gehen und seine Entscheidungen treffen. Es hat seine Ziele und steckt auch Rückschläge weg.
Mit beginn dieser Phase wird es Zeit die letzten Stufen zu meistern und Lerntechniken, Durchhaltevermögen und Selbstkontrolle einzuüben. Aber wenn erst einmal die Basis sitzt, ist dies wirklich kein großes Problem mehr.
Der Grund für die vielen erfolglosen Nachhilfestunden ist meistens, dass nur das „Was“ und „Wie“ beachtet wird (also: Ich muss meinen Wortschatz in Englisch erweitern indem ich Vokabeln mit Karteikarten lerne). Aber wenn vorher das „Warum“ nicht geklärt wurde, wird sich das alles im Sand verlaufen.
Alle drei Phasen laufen, wenn dein Kind soweit ist, sie in Angriff zu nehmen, parallel ab. Je stabiler die vorausgehenden Phasen verankert sind, umso besser können die nachfolgenden genutzt werden.
Hier noch einmal die Stufen und Phasen im Überblick: