Warum dein Kind lernt - oder auch nicht

Warum dein Kind lernt - oder auch nicht

Raufst du dir auch ständig die Haare und fragst dich, wie du dein Kind zum Lernen bewegen kannst?

Und hat deine Freundin die ultimative Methode ihr Kind zum Lernen zu bewegen, aber bei deinem Kind funktioniert sie einfach überhaupt nicht?

Dann lade ich dich heute auf eine kleine Reise durch die Welt der Motivation ein.

Motivation ist nicht gleich Motivation

Von intrinsischer und extrinsicher Motivation hast du ja sicher schon gehört. Intrinsisch bedeutet ich tue etwas, weil es mir Spaß macht und extrinsisch bedeutet, etwas motiviert von außen (also Zwang oder auch eine Belohnung). Intrinsische wird weithin als die „gute“ Motivation gesehen, extrinsische als die „schlechte“ (die komischerweise aber trotzdem sehr gerne eingesetzt wird...).

Diese Unterscheidung ist jedoch durchaus veraltet. Darum möchte ich dir hier eine aktuellere Version vorstellen. Die folgende Einteilung wurde von Richard M. Ryan und Edward L. Deci (den Urhebern der Selbstbestimmungstheorie) erstellt.

Grob teilen wir in zwei Motivationsarten: autonom (das ist die „gute“) und nicht-autonom (die „schlechte“).

Zu den autonomen (also selbstbestimmten) Motivationsarten gehören:

  • Intrinsische Motivation: Dein Kind tut etwas, weil es Spaß an der Sache hat

Und folgende extrinsische Motivationsarten:

  • Integration: Es macht zwar nicht unbedingt Spaß, aber die Aufgabe entspricht so sehr den inneren Werten und Zielen, dass man intensiv an der Sache dranbleibt
  • Identifikation: Der Verstand empfindet das Ziel zwar als wichtig, aber das Herz ist noch nicht so ganz dabei. Hier lernt dein Kind zwar freiwillig, muss sich aber doch noch sehr überwinden

Zu den nicht-autonomen (also nicht selbstbestimmten) Motivationsarten gehören die restlichen extrinsichen:

  • Introjektion: Die Aufgabe wird erledigt, weil dein Kind die Anforderungen erfüllen möchte um so Schamgefühle zu vermeiden oder auch sein Ansehen zu vergrößern (Lob zu bekommen)
  • Externe Regulation: Die Aufgabe wird erledigt, weil sie von außen erzwungen wird (durch Strafe und Belohnung)
  • Und Amotivation: Hier sind wir in einem Bereich, in dem eigentlich nicht mehr gelernt wird. Hat dein Kind den Zustand einer Amotivation erreicht, wird es dir depressiv oder auch sehr aggressiv erscheinen. Es hat das Gefühl, dass eh alles sinnlos ist. Hier braucht ihr eigentlich schon professionelle Hilfe, da man aus solch einem Loch, dass normalerweise nach jahrelangen schlechten Erfahrungen entsteht, oft nicht mehr ohne Hilfe herausfindet.

Bevor du dein Kind richtig unterstützen kannst, musst du herausfinden, in welchem Motivationszustand es sich eigentlich befindet.

Dazu gib ihm folgende vier Aussagen (in der Klammer habe ich für dich die Motivationsart dazugeschrieben):

Ich lerne weil:

  • es mir Spaß macht (intrinsisch)
  • weil ich den Schulstoff verstehen will (identifiziert/integriert)
  • ich möchte, dass alle stolz auf mich sind (introjiziert)
  • weil ich eine Strafe/Belohnung bekomme, wenn ich es (nicht) mache

Lass dein Kind jetzt für jedes Schulfach bestimmen, welcher Satz am ehesten stimmt (gern können auch zwei ausgewählt werden).

Jetzt weißt du, wo dein Kind steht und wir können es abholen.

Die Sache mit der intrinsischen Motivation

Ein wichtiger Anhaltspunkt, wo du dein Kind abholen kannst, ist sein Alter. Hier findest du eine Übersicht über die Lernstufen und die Motivationsphasen. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass dein Kind die Phase „Sinn“ noch gar nicht erreicht hat. Das bedeutet, du könntest es nur mit intrinsischer Motivation (oder halt externer Regulation (Belohnung/Strafe)) abholen. Aber Schulstoff, der meistens so gar nicht den Spaßfaktor deines Kindes erhöht ist eher ungeeignet für intrinsische Motivation. Trotzdem gibt es ein paar Dinge, die du doch versuchen kannst:

  • Mache aus dem Lernstoff ein Spiel (oder sieh dich um, ob es den Stoff bereits als Spiel gibt!). Auch Lernapps können hier eine gute Hilfe sein
  • Binde den Stoff in Geschichten ein. Kinder lernen durch Emotionen und soziale Interaktionen. Ihre Köpfe saugen Erzählungen einfach so auf!
  • Versuche immer wieder die Phase „Sinn“ anzubahnen, indem du mit deinem Kind darüber sprichst, was es denn für Pläne hat und warum dieser Lernstoff wichtig ist. Erkenne dabei aber immer an, dass dein Kind im Moment davon gelangweilt ist! Dein Verständnis ist wichtig! Es erfüllt nämlich ein wichtiges Grundbedürfnis deines Kindes!

Die drei psychologischen Grundbedürfnisse

Deci und Ryan haben nicht nur die Motivationsarten neu definiert, sie haben auch herausgefunden, dass Menschen drei psychologische Grundbedürfnisse haben: Kompetenz, Verbundenheit und Autonomie. Idealerweise sollten alle drei Bedürfnisse erfüllt sein, aber jeder Mensch (und somit auch dein Kind) hat eine Gewichtung, welche Bedürfnisse wichtiger sind. Aber lass mich die drei Basisbedürfnisse erst einmal vorstellen:

Kompetenz

Kompetenz ist das Gefühl, einer Aufgabe gewachsen zu sein. Um dieses Gefühl haben zu können, muss dein Kind erst einmal die grundlegende Einstellung haben, dass selbst schwierige Dinge „schaffbar“ sind (siehe meinen Beitrag zur Einstellung).

Ist diese Voraussetzung geschaffen, helfen dir folgende Tipps:

  • Die Aufgaben sollten im optimalen Anforderungsbereich liegen, also weder zu schwer, noch zu leicht sein! Passe sie eventuell an
  • Kritik sollte in Form von Feedback erfolgen und auf die Lösung des Problems gerichtet sein
  • Außerdem sollte die Leistung nur mit der Leistung deines Kindes zu einem früheren Zeitpunkt verglichen werden. Auf keinen Fall mit den Ansprüchen der Schule oder gar den Leistungen der Mitschüler! Dazu solltet ihr einen Weg finden, die Leistungen deines Kindes zu messen und diese auch notieren, um sie dann vergleichen zu können!
  • Gerade bei schwierigen Fächern/Aufgaben, kann eine gute Struktur helfen, den Einstieg zu finden. Nach und nach kann die Hilfe dann wegfallen

Kinder, die sehr empfänglich für dieses Bedürfniss sind, wollen oft besser als andere sein und lassen sich über Wettbewerb und Vergleich motivieren. Sie leben oft von Lob und guten Noten. Wie die Leistung erbracht wird ist dann ganz egal. Hauptsache man „gewinnt“. Das dies auf dem weiteren Lebensweg, der für jeden auch einmal Rückschläge bereithält, kompliziert werden kann, brauche ich wohl nicht weiter auszuführen.

Autonomie

Das Bedürfnis nach Autonomie ist erfüllt, wenn dein Kind das Gefühl hat, selbst über sein Leben bestimmen zu können. Dies hat nichts mit „ich darf immer machen, was ich will“ und einem Fehlen jeglicher Erziehung zu tun! Aber es hat etwas damit zu tun, dass dein Kind (dem Alter entsprechend) Mitspracherecht hat und nicht einfach eine Marionette (der Schule) ist.

Autonomie kannst du erzeugen:

  • Indem du die Interessen deines Kindes kennst (leg doch ein Talenttagebuch an!) und ihr zusammen Ziele setzt (Dies kann schwer sein, wenn dein Kind noch komplett in der Phase „Spaß“ steckt...)
  • Wenn dein Kind Aufgaben erledigen muss, die es eigentlich nicht erledigen möchte, zeige Verständnis für seine Ablehnung („Ja, dass würde mir jetzt auch gar keinen Spaß machen“) und begründe dann, warum es sie tun muss ( „aber wenn du später mal Flugzeuge bauen willst, musst du ...“)
  • Lass dein Kind in so vielen Bereichen mitentscheiden wie es geht. Es will sich nur eine Drei in Deutsch vornehmen und keine Zwei? Das ist in Ordnung. Es möchte lieber morgens lernen als abends? Auch okay

Kinder, die sehr auf den Bereich Autonomie ansprechen, reagieren oft sehr bockig auf Belohnung und Strafe. Oft hilft es, ihnen das Gefühl zu vermitteln, es wäre ihre Entscheidung etwas zu tun. Die Gefahr im Bereich Autonomie ist, dass sie zu einem Bedürfnis nach Macht wird. Stichwort „Tyrann“. Autonomie bedeutet nicht, nur Spaß zu haben und über Leichen gehen zu dürfen. Die Fähigkeit, sich auch mal ein bisschen zu „quälen“ und die eigenen Bedürfnisse hintenanzustellen sollte im Auge behalten werden.

Verbundenheit

Verbundenheit ist das Bedürfnis nach dem Eingebundensein in ein soziales Umfeld (Familie, Freunde, Klasse...).

Tipps um Verbundenheit zu erzeugen:

  • Lernen mit Emotionen. Geschichten aus dem Leben des Lehrers (in diesem Fall dir) hauchen dem Lernprozess Leben ein. Vielleicht magst du ja mal erzählen, wie du zu faul zum Lernen warst und dein Versuch zu spicken aber gründlich schief gegangen ist? Du musst Mensch, nicht Wissensvermittler sein. Je jünger dein Kind ist, umso wichtiger ist dieser Punkt!
  • Finde einen Lernpartner (dies kann ein Erwachsener oder auch ein Mitschüler sein!) bei dem sich dein Kind wohlfühlt

Kinder, denen Verbundenheit sehr wichtig ist, laufen gerne Gefahr, introjiziert motiviert zu sein. Sie tuen alles, um andere stolz zu machen. Dies kann aber schnell zu Überforderung und Schulangst führen, obwohl nach außen alles super aussieht!

Deine Verantwortung

Wie du sicher schon herausgelesen hast, ist es relativ einfach, dein Kind zum Lernen zu bewegen, wenn du weißt wie es tickt.

„Ach, ich bin immer so stolz, wenn du jeden Abend lernst“

„Du willst doch wieder der Klassenbeste sein, oder?“

Sicher, geschickt angewendet wird dein Kind so regelmäßig gute Noten mit nach Hause bringen. Ja, es wäre dann zwar nicht autonom motiviert, aber wenn die Ergebnisse stimmen, ist das denn so schlimm?

Nun, die nicht-autonomen Motivationsarten festigen sich leider ziemlich schnell. Und langfristig sind sie bekannt dafür, unglückliche und kranke Menschen zu erzeugen. Ich gebe nur die Stichwörter Depression und Angst. Längst sind dies leider keine Phänomene der Erwachsenenwelt mehr, sondern betreffen schon Grundschüler...

Außerdem führen sie zu einem sehr ergebnisorientiertem Lernstil. Das Gelernte selbst wird ziemlich schnell wieder verworfen, wenn das gewünscht Ergebnis „abgeholt“ wurde.

Autonome Motivationsformen führen jedoch zu

  • Einem besseren Durchhaltevermögen
  • Besseren sozialen Beziehungen
  • Mehr Leistung (auf lange Sicht)
  • Besserer Gesundheit (psychisch und körperlich)

Ich weiß jedoch, wie schwierig es ist, geduldig zu warten, bis dein Kind reif genug für die Phase „Sinn“ ist. Oft bleibt dir nichts anderes übrig, wie ein paar schlechte „Tricks“ anzuwenden (z.B. Wochenpläne mit Belohnungen). Wichtig ist jedoch, dass dein Ziel ist, diese so schnell wie möglich in bessere Lernformen umzuwandeln, die die Basisbedürfnisse besser unterstützen und so zu autonomen Motivationsformen führen. Dies mag anstrengender und langwieriger sein, zahlt sich aber später aus!

Auf eine sinnvolle Lernzukunft!

Deine Claudia

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