Wie Konzentration wirklich trainiert werden kann

Wie Konzentration wirklich trainiert werden kann

Hast du zu Hause ein Kind bei dem AD(H)S diagnostiziert oder vermutet wird? Und habt ihr auch schon zig Methoden und Übungen ausprobiert, aber nichts hat Wirkung im Schulkontext gezeigt? Dann möchte dir heute dafür eine Erklärung und auch ein paar Lösungsvorschläge liefern.

Bei vielen hält sich immer noch die falsche Annahme, dass sich Kinder mit AD(H)S einfach nicht konzentrieren können. Das stimmt so aber nicht. Das Konzentrieren fällt ihnen nur extrem schwer, wenn das Objekt auf das sie sich konzentrieren sollen nicht interessant genug ist. Das ist nur leider bei den meisten Schulaufgaben der Fall... Aber dieses bewusste Konzentrieren kann trainiert werden.

Grundlagen der Aufmerksamkeitssteuerung

Die Aufmerksamkeitssteuerung ist eine der exekutiven Funktionen. Die exekutiven Funktionen sind sozusagen die Kommandozentrale im Gehirn deines Kindes und managen sein Lernverhalten.

Am besten stellt man sich die Aufmerksamkeit wie einen Lichtstrahl vor, der fokusiert wird.

Dieser Fokus besteht aus Intensität (wie stark kann ich meine Beleuchtung bündeln) und Ausdauer (wie lange kann ich Dinge beleuchten). Dabei muss der Fokus gegen allerlei Störfaktoren ankämpfen. Von außen sind dies zum Beispiel Geräusche und Bewegungen und von innen hauptsächlich Gedanken.

Ist das Objekt, auf das fokusiert wird interessant genug, werden diese Ablenkungen nicht wahrgenommen, da das Gehirn starke Reize von der Aufgabe selbst bekommt.

Dein Kind muss jedoch lernen, diese Reize und Gedanken zu managen, auch wenn das Gehirn nicht durch die Aufgabe stimuliert wird.

Und hier kommen wir auch schon zu dem ersten Problem: Die meisten Übungen, die die Konzentration steigern sollen, sind ziemlich spielerisch aufgebaut. Es macht also mehr oder weniger Spaß die Aufgabe zu bearbeiten und somit haben wir das Hauptproblem (unattraktives Objekt) gar nicht dabei.

Die drei Stufen der Aufmerksamkeitssteuerung

Damit du einen Überblick hast, was ihr denn so trainieren könnt, sind hier erstmal die drei Stufen, die dein Kind bei der Aufmerksamkeitssteuerung durchläuft:

Stufe 1: Erkennen wenn Reize eintreffen

Das hört sich leichter an als es ist, schließlich ist jeder von uns schonmal in einer Gedankenschleife festgehangen und hat es nicht gemerkt.

Stufe 2: Diese Reize wegschicken

Vor allem innere Reize können nicht verhindert werden. Dein Kind muss also Methoden lernen, diese aufs Abstellgleis zu schicken, bis sie wieder gebraucht werden.

Stufe 3: Den Zeitraum, in dem das klappt, steigern

Beide Stufen sind mit großer Anstrengung verbunden und die Dauer muss Schritt für Schritt gesteigert werden, um dein Kind nicht zu überfordern.

Zusammengefasst muss dein Kind also lernen innere und äußere Reize zu erkennen und bewusst zu lenken.

Zwei(einhalb) wirklich wirksame Methoden:

Absolut unschlagbar auf Platz Eins wenn es um die Steuerung der Aufmerksamkeit geht ist:

Meditieren

Das Problem ist hier nur, ein geeignetes Programm für Kinder zu finden. Die meisten bestehen hauptsächlich aus Traumreisen. Diese entspannen natürlich und können die schon vorhandenen Fähigkeiten der Aufmerksamkeitssteuerung besser zum Vorschein kommen lassen, aber sie trainieren nicht bewusst die Techniken, die man zum Steuern der Reize braucht.

Diese Programme und Kurse sind dann oft auf Erwachsenen ausgerichtet. Hier fällt mir die App Headspace ein, die ich selbst zum Meditieren nutze. Es gibt dort auch einige Meditationen für Kinder, aber das große Trainingsprogramm ist eben auf Erwachsenen zugeschnitten und somit wahrscheinlich wenig ansprechend für Kinder.

Als App für Kinder erobert gerade Aumio den Markt. Meine Kinder lieben die dort angebotenen Traumreisen und Entspannungsübungen. Ich hatte aber noch nicht die Möglichkeit mal zu schauen, ob auch irgendwo versteckt ist, wie man das Meditieren bewusst anwenden kann.

Als zusätzliche Methode möchte ich nochmal das Lesen erwähnen. Das wirkt natürlich nur im Hintergrund und hat auch die Problematik des interessanten Objekts. Allerdings trainiert es sehr schön die Ausdauer des Fokus. Und außerdem hat das interessante Buch auch langwierige Passagen, durch die man aber durch muss, damit die Geschichte einen Sinn macht. Hier hat man dann über kurze Strecken auch das uninteressante Objekt. Mehr Info zum Lesen bekommst du in meinem September Beitrag.

Das Marburger Konzentrationstraining (MKT)

Das MKT ist speziell für Kinder mit Konzentrationsschwierigkeiten entwickelt worden und trainiert unter anderem die Methode des inneren Sprechens. Dabei werden die Reize übertönt, indem man selber einen stärkeren Reiz schafft. Das funktioniert so, dass das Kind laut (oder im Kopf) sagt, was es gerade tut. Dieses Übertönen fällt vielen Kindern gerade am Anfang leichter als das Wegschicken der Reize.

Im Trainingsprogramm wird die Methode spielerisch trainiert. Und genau da liegt der Haken. Nachdem die Methode so gelernt wurde, muss sie noch auf den Schulkontext übertragen werden! Das funtioniert bei den meisten Kindern nicht automatisch.

Wird das jedoch beachtet, kann ich das Programm nur empfehlen. Hier könnt ihr euch informieren und Therapeuten in eurer Nähe finden.

Was du sonst noch beachten solltest

Ganz nach der Methode des Scaffolding (mehr Info hier) solltest du deinem Kind die Aufgaben am Anfang so leicht wie möglich machen. Dies kannst du tun, indem du Aufgaben

  • interessant machst
  • in kleine Abschnitte teilst
  • mit deinem Kind gemeinsam löst

Auch die Methoden, die auf Spaß beruhen sind nicht komplett verkehrt. Mit ihnen kannst du die Ausdauer trainieren. Setze bewusst mehr und mehr Ablenkungen ein, so dass dein Kind die erlernten Methoden trainieren kann. Funktioniert das bei diesen Aufgaben, könnt ihr es auf die Schulaufgaben übertragen.

Generell gilt für die Methoden, die ihr einübt:

Von leichten zu schweren Aufgaben, von kurzen Abschnitten zu längeren, von Einzelunterricht zu Gruppenunterricht.

Und natürlich braucht dein Kind seine Grundvoraussetzungen, die es immer braucht um erfolgreich lernen zu können:

  • Genügend Schlaf
  • Keine Reizüberflutung
  • Ausgeglichene Psyche (Keine Angst, Keinen Streit mit Freunden...)

Ziel ist es, deinem Kind einen Weg zu zeigen, selbstständig mit der Problematik umzugehen, ohne dass Aufgaben angepasst werden müssen oder sogar eine medikamentöse Behandlung notwendig ist. Wichtig ist vor allem, das Training nicht zu „verstecken“, sondern deinem Kind immer zu sagen, welche Fähigkeit gerade trainiert werden soll.


Ich wünsche euch viel Spaß beim Meistern der Reize!

Auf eine sinnvolle Lernzukunft!

Deine Claudia

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